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Vorbemerkung: Manche Besucher(innen) dieser Seite scheinen Informationen zur Sexualkunde zu suchen. Ihnen seien die Links unten auf der Seite Glück in der Liebe / Liebesglück empfohlen.

Die Frage nach den Lebenszielen und nach dem Sinn des eigenen Lebens drängt sich spätestens dann auf, wenn man geliebte Menschen leiden und sterben sieht und einem die Endlichkeit seines Lebens und seiner Werke voll bewusst wird. Das angeborene, in der Regel durch Erziehung und gesellschaftliche Normen verstärkte Streben nach Wohlergehen, Anerkennung und Wohlstand, nach Wohlwollen, Zuneigung, Sex und Liebe, eventuell sogar – möglicherweise trotz negativer Schulerfahrungen – nach Wissen und Erkenntnis erscheint im Lichte unserer Sterblichkeit als weitgehend wertlos, sinnlos und nichtig. Mit dem Tod ist unseres Wissens eben alles vorbei.

Was ist der Mensch?

Zunächst einmal ist der Mensch – von Evolution und Biologie her – ein Tier. Zwar unterscheidet er sich von allen anderen Tieren zumindest graduell durch seinen Verstand, seine Fähigkeit zur Selbstreflexion, seine Bereitschaft zur Kooperation, seine Geschicklichkeit im Konstruieren und Gebrauch von Werkzeugen, durch den Reichtum und die Komplexität seiner Sprachen und vor allem durch die Fähigkeit, Wissen mit Hilfe von Schrift und Bildern zu tradieren und zu kumulieren, aber in unseren Impulsen, unseren Wünschen und unserem Verhalten unterscheiden wir uns wesentlich weniger von anderen höheren Tieren und insbesondere von unseren nächsten (noch) lebenden Verwandten, den Menschenaffen, als vielen Menschen lieb ist.1

Übereinstimmende Merkmale sind z. B. ein ausgeprägter Überlebenswille und Egoismus, der bis zur Tötung von Rivalen reichen kann, ferner das Leben in klar strukturierten Gruppen mit rangniedrigen und ranghöheren Gruppenmitgliedern und einem Anführer, außerdem das Bedürfnis nach Anerkennung und einem sicheren Status innerhalb der Gruppe – dessen Nichtbeachtung oder gar vorsätzliche Missachtung Aggressionen und Rachegefühle auslösen kann – sowie schließlich die Feindseligkeit bis Mordlust gegenüber fremden, der Gruppe das Revier vermeintlich oder tatsächlich streitig machenden oder auch nur der Besitzgier der eigenen Gruppe im Wege stehenden Gruppen oder Individuen.2 Aber auch Mitleid, Einfühlungsvermögen und Hilfsbereitschaft sind bereits in Tiergruppen verbreitet – zumindest wird Hilfe dort denjenigen Gruppenmitgliedern gewährt, die selber anderen Gruppenmitgliedern helfen und so zum Überleben der Gruppe beitragen oder es überhaupt erst ermöglichen: Ohne Rücksichtnahme, gegenseitige Hilfe und gegenseitigen Schutz sind Gruppen bildende Tiere nicht auf Dauer überlebensfähig; eben deshalb bilden sie ja Gruppen und leben nicht wie Eisbären oder Nashörner als Einzelgänger.

Ebenso haben wir unsere Reaktionen bei Angst und Stress – Beschleunigung des Herzschlages, Muskelanspannung und erhöhte Atemfrequenz zur Vorbereitung entweder von Flucht oder von Angriff – mit vielen Tieren gemeinsam, außerdem – gleichfalls früher zur Bewältigung von Angriffssituationen nützlich, heutzutage im Alltag häufig kontraproduktiv oder sogar destruktiv – unsere Neigung zu schnellen, instinktiven Entscheidungen und zu Vorurteilen im Sinne einer raschen – oft allzu raschen und voreiligen – Einschätzung unserer Mitmenschen anhand sehr weniger, oft oberflächlicher Merkmale wie Aussehen oder bestimmter Verhaltensweisen. Auch gehört unser Hang zur Selbstüberschätzung wahrscheinlich bereits zum äffischen oder zumindest frühmenschlichen Erbe: Von sich selbst überzeugte und deshalb Optimismus und Tatkraft ausstrahlende Gruppenmitglieder hatten und haben es leichter, Anführer zu werden und sich fortzupflanzen, als weniger dynamische Individuen – und zwar weitgehend unabhängig von den tatsächlichen Fähigkeiten.3

Darüber hinaus wird unser privates und familiäres Verhalten weitgehend von Instinkten und Impulsen (mit)bestimmt, die wir gleichfalls bei unseren tierischen Verwandten vorfinden, z. B. einem ausgeprägten Brutpflegeinstinkt (Mutter- bzw. Vaterliebe), dem Bedürfnis nach einem Lebens- oder Lebensabschnittspartner und zugleich der – je nach Individuum, Alter und Geschlecht unterschiedlich stark ausgeprägten – Neigung zu Sex auch außerhalb der Partnerschaft.

Schließlich stammen auch unsere Ernährungsvorlieben großenteils aus grauer Vorzeit: Von Geburt an schmecken uns kalorienreiche – also zucker- und fettreiche – Nahrungsmittel besonders gut. Diese Vorlieben waren während langer Epochen der Menschheitsgeschichte sinnvoll, um satt zu werden und womöglich für Zeiten der Nahrungsknappheit körpereigene Reserven anzulegen. Angesichts des derzeitigen Überflusses an Lebensmitteln zumindest in den "reichen" Ländern der Welt führt ein rein instinktives Essverhalten bei entsprechender genetischer Veranlagung sowie physisch und psychisch ungünstigen Lebensverhältnissen wie z. B. Dauerstress, zu wenig Schlaf, zu viel Film- und Fernsehkonsum und/oder zu wenig Bewegung dagegen häufig zu starkem, bisweilen gesundheitlich bedenklichem Übergewicht.

Was ist "menschliches" Verhalten?

Offensichtlich ist sinnvolles und ethisch korrektes Verhalten also nicht identisch mit artgerechtem Verhalten im Sinne eines spontanen Auslebens naturgegebener Impulse und Instinkte, denn unsere urtümlichen Instinkte – u. a. Aggressionen, Macht- und Rachegelüste – haben sich während des viele Jahrtausende währenden nomadischen Lebens unserer Vorfahren in der Weite der Savanne, in kleinen Gruppen und in ständigem, nicht zuletzt körperlichem Überlebenskampf herausgebildet. Sie sind nicht geschaffen für das friedliche Zusammenleben großer Mengen einander unbekannter Menschen auf relativ engem Raum – z. B. in Städten – und zumeist ohne unmittelbare existentielle Bedrohungen. Für ein friedliches Zusammenleben von Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen, die sich zunächst einmal sehr fremd und deshalb "natürlich" vorsichtig bis feindselig gegenüberstehen, ist unsere instinktive Abwehrhaltung oft sogar höchst hinderlich.

Deshalb müssen wir unsere Verhaltensimpulse und instinktiven Wünsche immer wieder mit der Vernunft überprüfen und unser Handeln an einer universalen Ethik ausrichten, die – gemäß der prinzipiellen Gleichwertigkeit aller Menschen – zumindest dem Grundsatz "Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu." genügen sollte. Dabei sind mit "keinem anderen" alle Menschen unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, sexueller Orientierung, kulturellen oder persönlichen Eigenheiten etc. gemeint und nicht etwa nur die Mitglieder der eigenen Gruppe, Nation oder Religionsgemeinschaft. Noch besser für ein friedliches Zusammenleben ist es freilich, nicht nur Böses zu vermeiden, sondern Gutes zu tun, sofern Hilfe erwünscht und sinnvoll ist, und am besten ist es zweifellos, nicht nur jenen Gutes zu tun, die einem selbst Gutes oder zumindest nichts Böses tun, sondern auch seine Feinde zu lieben und gegen sie keine über die Schadensabwehr (Notwehr) hinausgehenden Maßnahmen zu ergreifen. Im Gegensatz zu den meisten Tieren hat der Mensch prinzipiell die Freiheit, seinen Impulsen und Wünschen nicht zu folgen, sondern sie zu überdenken und ihnen zu widerstehen, wenn entsprechendes Handeln anderen Menschen schaden würde.

Allerdings ist diese Entscheidungsfreiheit (Willensfreiheit) in vielfacher Weise eingeschränkt, und zwar nicht nur bei Psychopathen, Süchtigen, Traumatisierten, hirnorganisch Geschädigten oder Menschen, deren Produktion von Hormonen, Neurotransmittern oder sonstigen Botenstoffen aus dem Lot geraten ist, sondern bei jedem Menschen. Sowohl unsere genetische Ausstattung als auch unsere Erziehung und unsere soziale Situation bestimmen wesentlich mit, wie wir uns verhalten und entscheiden: Wer zum Jähzorn neigt, hat größere Probleme, auf tatsächliche oder vermeintliche Kränkungen nicht mit Wut und Rachegefühlen und in der Folge mit Beleidigungen oder gar körperlicher Gewalt zu reagieren, als ein von Natur aus friedfertiger und besonnener Mensch. Wer als Kind oder Jugendlicher und insbesondere als Kleinkind vernachlässigt oder misshandelt oder gar traumatisiert wird, kann kaum jenes Maß an Selbstbewusstsein ausbilden, das notwendig ist, um Kränkungen und Niederlagen auszuhalten, ohne entweder zu resignieren oder aber sich zu rächen oder scheinbar grundlos herumzuwüten und schlimmstenfalls Amok zu laufen.

Wer stets gedemütigt wurde und Gewalt als "normal" erlebt hat, neigt meistens selbst dazu, andere Menschen – auch ihm völlig fremde Menschen, die ihm nichts getan haben – zu demütigen und Gewalt auszuüben und sich so "Respekt" und Erfolgserlebnisse zu verschaffen, denn er hat nicht jenes Einfühlungsvermögen und Mitgefühl entwickelt, über das in der Regel Menschen verfügen, die von liebe- und verständnisvollen, aber zugleich Grenzen setzenden und diese Grenzen verständlich begründenden sowie sich selbst vorbildlich verhaltenden Eltern erzogen wurden. Wer kein Geld und auch sonst nichts zu verlieren hat und keine klaren ethischen Grundsätze besitzt, gerät leicht in Versuchung, sich einfach zu nehmen, was er legal nicht bekommen kann, und sein Verhalten vor sich selbst mit der Ungerechtigkeit der Welt oder seinem persönlichen Unglück oder dem schlechten Vorbild der herrschenden "Eliten" zu entschuldigen.

Ein kluger, vorausschauender Staat – zumal eine Demokratie – schafft deshalb die Voraussetzungen dafür, dass psychisch Kranke oder Gestörte behandelt und möglichst geheilt werden, sowie dafür, dass Menschen mit Problemen, die sie nicht allein bewältigen können, beraten und nötigenfalls unterstützt werden. Er kümmert sich ferner darum, dass Kinder und Jugendliche in "heilen" Familien, zumindest aber geliebt und gewaltfrei und ohne – z. B. im Fernsehen! – Gewalt ansehen zu müssen aufwachsen und Einfühlungsvermögen und Mitgefühl entwickeln können, und er lässt nicht zu, dass Kinder bei Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten aufwachsen, die psychisch so gestört sind, dass sie die Kinder vernachlässigen oder misshandeln. Schließlich sorgt er dafür, dass seine Bürger nicht Not leiden müssen sowie die Chance haben, sich entsprechend ihren Fähigkeiten zu bilden und tätig zu werden und ein angemessenes Einkommen zu erzielen.

Verantwortungsbewusste Politiker liefern die Menschen deshalb nicht einfach dem "Markt" oder dem "freien Spiel der Kräfte" aus, denn das "freie Spiel der Kräfte" führt zwangsläufig zur Konzentration von Macht und Vermögen und dazu, dass die reich und mächtig Gewordenen und deren Nachkommen den Aufstieg von Konkurrenten zu verhindern suchen und die Masse der Bevölkerung in Abhängigkeit und (relativer) Armut halten. Interveniert der Staat nicht zugunsten der Schwächeren und der Habenichtse, kommt es folglich zu krasser sozialer Ungleichheit und Ungerechtigkeit, zu einem rapiden Anstieg der Gewaltdelikte und allgemein zur Verrohung der Gesellschaft.

Auf keinen Fall dürfen Mächtige, sofern sie sich ethischen Minimalstandards verpflichtet fühlen, selbst Folter und Mord befehlen oder billigen oder – fahrlässig oder gewollt – Situationen schaffen, in denen Menschen das Gefühl haben, foltern und morden zu dürfen oder gar zu sollen. Denn die meisten Menschen können – weil Menschen Gruppentiere und mehrheitlich autoritätsgläubig sind – Gruppendruck und Anweisungen oder auch nur Erwartungen "von oben" nicht lange widerstehen und sind schnell bereit, "für einen höheren Zweck" zu foltern und zu morden. Die Geschichte kennt etliche Beispiele: die Folterung und Ermordung oder die Veranlassung der Folterung und Ermordung so genannter Ketzer durch die katholische Inquisition, aber auch durch Reformatoren wie z. B. Johannes Calvin, die so genannten Hexenverfolgungen, die Völkermorde und sonstigen Gräueltaten der Kolonialmächte, ferner Deutschland unter Hitler, Kambodscha unter den Roten Khmer, Ruanda unter den Hutu-Milizen sowie den Völkermord in Darfur, aber auch – in freilich weitaus kleineren Dimensionen – Abu Ghraib, Guantánamo und zahllose weitere Gefängnisse in aller Welt. Auschwitz ist nicht Vergangenheit, sondern Gegenwart und Zukunft, solange Menschen so macht- und geldgierig, mitleidlos, autoritätsgläubig und ideologisch verblendet sind, wie sie es nun einmal nicht selten sind.

In vielen Armeen – auch von Demokratien – werden das Selbstwertgefühl und die ethischen Maßstäbe von Rekruten sogar systematisch zerstört, um sie zu willigen Mordwerkzeugen zu drillen. Es ist klar, dass eine solche Umerziehung / Verstärkung eventuell bereits vorhandener psychischer und emotionaler Defizite oftmals gravierende Folgen für das spätere zivile Leben der derart "Behandelten" hat. Letztlich ist es nicht eigenes Verdienst, sondern Glück oder Gnade, wenn ein Mensch dank günstiger Umstände zeitlebens nicht ernsthaft in Versuchung gerät, zum Folterer und Mörder zu werden.

Was kommt danach?

Nach menschlichem Wissen kommt nach dem Tode nichts, ist menschliches Leben, Leiden und Sterben von Natur aus zufällig und sinnlos. Sinn muss jeder Mensch seinem Leben selbst geben, wenn es ihm wichtig ist, dass sein Leben Sinn hat.

Weil das so ist, gibt es für einen Atheisten keinen letzten Grund, sich an die in einer Gesellschaft geltenden Gesetze und ethischen Maßstäbe zu halten: Stalin z. B. war nicht zuletzt deshalb erfolgreich, weil er skrupellos war. Andererseits sind Gottgläubige erfahrungsgemäß in der Regel nicht humaner und friedfertiger als Atheisten oder Agnostiker – Fanatiker gleich welcher Religion schon gar nicht.

Zugleich ist offensichtlich, dass viele, wahrscheinlich sogar die meisten Menschen religiös sind: Teils wollen sie sich nicht mit dem Tod als dem endgültigen Ende ihres Daseins abfinden und brauchen anscheinend auch eine Instanz, die wenn schon nicht auf Erden, dann doch wenigstens in einem wie immer gedachten Jenseits Gerechtigkeit und für die "Guten" dauerhafte Glückseligkeit garantiert. Zumindest in früheren Zeiten, als man in Europa noch an eine Vielzahl von Göttern glaubte und diese auch negative Eigenschaften haben durften, konnte man mit ihrem Wirken außerdem zahlreiche unverstandene und bedrohliche Naturereignisse erklären. Wissenschaftlich ziemlich gesichert ist auch, dass Menschen, die an einen gnädigen Gott glauben und ihm vertrauen, im Durchschnitt etwas länger und zufriedener leben und seltener krank sind.

Der Glaube an (einen wohlwollenden) Gott oder hilfreiche "höhere Mächte" scheint demnach einige Vorteile zu haben und konnte sich vielleicht deshalb im Laufe der Evolution durchsetzen und offenbar sogar biologisch verankern: Das Konzept einer Trennung von Körper und Geist bzw. Leib und Seele und eines Weiterlebens nach dem Tode als körperloser Geist ist Kindern im Vorschulalter unmittelbar vertraut. Die Zweifel kommen – wenn überhaupt – erst später.

Der Glaube an ein Leben nach dem Tod bietet also individuellen Trost; der Glaube an göttliche Ge- und Verbote begründet und sichert ethische Standards – freilich ebenso vernunftwidrige und menschenfeindliche Normen und Gesetze – und stabilisiert Gesellschaften; mit dem Glauben an göttliches Eingreifen lässt sich Unerklärliches "erklären" und Hoffnung auch in schwierigen Zeiten legitimieren. Darüber hinaus entlastet der Glaube an eine "höhere Macht" von dem Stress, alles aus eigener Kraft schaffen zu müssen. Wer sich als winziges Rädchen in einem höheren Plan versteht, darf versagen und muss nicht die Welt retten. Die Natur der "höheren Macht" bzw. die konkreten Glaubensinhalte sind für diese Entlastungsfunktion ziemlich irrelevant. Nur "gut" bzw. wohlwollend muss die "höhere Macht" schon sein: Der Glaube an einen strengen und strafenden Gott führt dagegen leicht zu Psychosen und Depressionen.

Allerdings wird wohl kein Mensch wegen der möglichen positiven persönlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen des Glaubens anfangen, an einen menschenfreundlichen Gott zu glauben. Zudem gibt es Fragen, die selbst für den wahrhaft Gläubigen schwer zu beantworten sind, z. B.:

  • Warum verbirgt sich Gott, anstatt sich zu offenbaren? Tatsächlich stützen die großen monotheistischen Religionen ihre Glaubenslehre im Wesentlichen nur auf wenige alte Schriften, die als historische Quellen nahezu wertlos, sondern reine Glaubenszeugnisse sind.
  • Warum lässt ein nach der Lehre von Judentum, Christentum und Islam allmächtiger, allwissender und allbarmherziger, liebender Gott das Leid der Menschen zu – und zwar sowohl jenes, das Menschen anderen Menschen zufügen, als auch das durch Krankheit, Unfälle und Naturkatastrophen erzeugte Leid? Juristisch wäre das Nichteingreifen Gottes in allen Fällen als unterlassene Hilfeleistung zu werten.
  • Wie sollen Menschen nach dem Tode weiterleben, wo doch unsere ganze Persönlichkeit, unsere Wahrnehmungen, unsere Gefühle, unser Charakter, unser Verhalten und unsere Erinnerungen – oder was wir dafür halten – offensichtlich untrennbar mit unserem Gehirn verbunden sind und vom einwandfreien Funktionieren desselben abhängen, wie man ex negativo z. B. an jedem Alzheimerpatienten oder psychisch Kranken leicht erkennen kann? Gibt es überhaupt ein "Ich", das mehr ist als eine vom Gehirn selbst im Alter von ca. drei Jahren in Interaktion mit der Umwelt konstruierte Instanz zur ganzheitlichen Selbstwahrnehmung?
  • Warum sollen – wie zumindest Judentum, Christentum und Islam lehren – nur Menschen eine Seele haben und nach dem Tode weiterleben, (andere) Tiere aber nicht? Immerhin sind etliche Tierarten, z. B. Menschenaffen, aber auch Elefanten, Hunde, Katzen und Papageien, offensichtlich sowohl zu Gefühlen als auch – in Ansätzen – zur Unterscheidung von "gut" und "böse" und zu intellektuellen Leistungen fähig – jedenfalls in höherem Maße als ein Mensch in den ersten Lebensjahren oder mit fortgeschrittener Demenz, dem meines Wissens von keiner Weltreligion die Seele abgesprochen wird. Die katholische Kirche spricht sogar bereits der befruchteten menschlichen Eizelle eine Seele zu. Warum sollten dann im Vergleich zur befruchteten menschlichen Eizelle sehr viel komplexere Lebewesen – z. B. Fliegen oder Würmer – keine Seele besitzen?
  • Wie passen Evolution und Gottesglaube zusammen? Warum sollte ein vollkommener Gott im Laufe der Erdgeschichte Millionen von Arten erschaffen / entstehen lassen und sie dann – zu weit über 99 Prozent – wieder vernichten / aussterben lassen? Warum ist der Mensch derart unvollkommen, wenn er das Werk eines vollkommenen Schöpfergottes ist?

Die Antworten der Religionen auf solche wesentlichen Fragen sind äußerst dürftig.

Freilich lässt sich auch nicht beweisen, dass kein Gott existiert, und es ist durchaus denkbar, dass es Bereiche der Wirklichkeit gibt, die der Mensch weder unmittelbar noch mittelbar wahrnehmen bzw. erschließen kann. Auch können die Naturwissenschaften selbst das bislang Bekannte und Erschlossene häufig nicht befriedigend erklären. Der Glaube an Gott ist deshalb nicht per se vernunftwidrig, jedoch keine gute Grundlage für Entscheidungen, die das Gemeinwohl betreffen: Gläubige und Glaubensgemeinschaften handeln unethisch, wenn sie – was leider auch in Deutschland immer wieder vorkommt – versuchen, ihre unbewiesenen und unbeweisbaren Überzeugungen, moralischen und gesellschaftlichen Vorstellungen sowie ihre Lebensweise Anders- und Nichtgläubigen per Gesetz aufzuzwingen, oder wenn sie durchzusetzen versuchen, dass wissenschaftlicher Unsinn wie die biblischen Schöpfungsgeschichten als wissenschaftliche Wahrheit in den Schulen gelehrt wird.

Glauben sollte also Privatsache sein und bleiben, denn gesellschaftliche und politische Entscheidungen bedürfen rationaler Grundlagen, die der Glaube per definitionem nicht bieten kann. Zudem lehren uns Vergangenheit und Gegenwart, dass die Früchte des Glaubens in der Praxis leider ziemlich häufig nicht Hoffnung und Liebe, sondern Ignoranz, Intoleranz, Unterdrückung, Hass, Terror, Gewalt und Tod sind. Als Europäer sollten wir dabei freilich nicht nur an den Iran und Saudi-Arabien und weitere auf dem Islam basierende Diktaturen denken: Auch in Europa mussten Demokratie und Menschenrechte gegen das Bündnis von Thron und Altar erstritten werden – und der Vatikan hat die Europäische Menschenrechtskonvention bis heute nicht unterzeichnet.

1
Vgl. Sie zum problematischen evolutionären Erbe der Menschheit z. B. Eckart Voland, Die Natur des Menschen. Grundkurs Soziobiologie, München 2007, sowie Ernst Peter Fischer / Klaus Wiegandt (Hrsg.), Evolution und Kultur des Menschen, Frankfurt a. M. 2010.

2 Vgl. Sie zu Morden zwischen Schimpansengruppen z. B. den Artikel Lethal intergroup aggression leads to territorial expansion in wild chimpanzees von John C. Mitani, David P. Watts and Sylvia J. Amsler in der Zeitschrift Current Biology, Juni 2010.

3 Vgl. Sie zur häufig fatalen Neigung, selbstsicheres Auftreten als Zeichen für Kompetenz zu werten, sowie allgemein zum Hang des Menschen, die eigenen Fähigkeiten, z. B. das Erinnerungsvermögen, gefährlich zu überschätzen, z. B.: Christopher Chabris und Daniel Simons, Der unsichtbare Gorilla. Wie unser Gehirn sich täuschen lässt, München 2011. Außer in Politik und Wirtschaft ist die Wertschätzung überzeugungsstarker, aber nicht entsprechend kompetenter Personen auch vor Gericht oft verhängnisvoll: Sachverständige Psychologen schätzen, dass ca. ein Drittel der Urteile, die nur auf Zeugenaussagen beruhen, Fehlurteile sind. Vgl. Sie dazu z. B.: Sabine Rückert, Lügen, die man gerne glaubt. Auch in der deutschen Justiz werden falsche Beschuldigungen umso lieber für wahr gehalten, je präziser sie den Erwartungen der Belogenen entsprechen, in: DIE ZEIT, 07.07.2011. Da die deutschen Richter und Staatsanwälte Justizirrtümer aber für absolute Ausnahmen halten, hilft den unschuldig Verurteilten in der Regel niemand.

Links

AG Evolutionsbiologie im Verband Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin
Giordano Bruno Stiftung – Stiftung zur Förderung des evolutionären Humanismus
Naturkundemuseen
 

Entstehungsjahr: 2011
 

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