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Wirtschaftliche Lage und
Entwicklung
Die wirtschaftliche Situation der Bundesrepublik Deutschland ist
derzeit durch hohe Arbeitslosigkeit, satte Gewinne insbesondere der
exportorientierten transnationalen Aktiengesellschaften bei
gleichzeitigem Arbeitsplatzabbau gerade auch durch eben diese Unternehmen in
Deutschland sowie durch weitgehend stagnierende oder sogar
sinkende Arbeitnehmereinkommen bei gleichzeitiger Tendenz zur
Verlängerung der Arbeitszeiten auf Druck der Arbeitgeber
gekennzeichnet. Die Macht von Fondsverwaltern, Aktienspekulanten
und sonstigen Vertretern von Firmen, deren einziges Ziel die
möglichst schnelle Vermehrung des ihnen anvertrauten Kapitals
ist, wächst unaufhörlich.
Das führt dazu, dass insbesondere
Manager, da sie anders als selbständige und eigenverantwortliche
Unternehmer befristet Angestellte und von den Großaktionären
abhängig sind, jedenfalls dann, wenn diese Großaktionäre aus
solchen kurzfristig denkenden und agierenden Kapitalsammel- und
Profitmaximierungsfirmen – so genannten Investment- oder
Kapitalanlagegesellschaften – bestehen, keine langfristigen
Unternehmensstrategien entwickeln und umsetzen, sondern nur
daran denken, wie sie möglichst schnell die Kosten senken, den Profit
steigern sowie – um feindliche Übernahmen durch andere
Kapitalgesellschaften zu verhindern – den Aktienkurs in die Höhe
treiben können.
Negative Folgen
Gesellschaftspolitisch und volkswirtschaftlich, aber auch
betriebswirtschaftlich ist diese Entwicklung von Nachteil:
Betriebswirtschaftlich deshalb, weil die betroffenen Unternehmen
kurzfristig ausgebeutet werden und langfristig an
Wettbewerbsfähigkeit verlieren, denn erstens unterbleiben
Investitionen, die sich nur langfristig rentieren, zweitens wird
generell die strategische Planung vernachlässigt, drittens
fehlen nach den Entlassungswellen erfahrene Mitarbeiter und ist
es später angesichts des ramponierten Rufes umso schwieriger,
kompetente neue Mitarbeiter zu gewinnen, und viertens leidet die
Motivation der verbliebenen Restbelegschaft, was in der Regel
nicht ohne Auswirkungen auf Produktivität, Produktqualität und
Innovationsfreude bleibt. Volkswirtschaftlich ist die
Entwicklung deshalb schädlich, weil sie die Zahl der
Arbeitslosen erhöht und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Wirtschaft insgesamt verringert.
Gesellschaftspolitisch schließlich
führt die Entwicklung zu einer Dreiteilung der Gesellschaft in
immer reicher werdende Aktien-/Kapitalbesitzer einerseits, in
Arbeitnehmer, die mit Mühe ihren Lebensstandard halten können
oder sogar Einbußen hinnehmen müssen, andererseits und in
besitz- und machtlose, von der Teilnahme am sozialen Leben
mangels Geld weitgehend ausgeschlossene Geringverdiener,
Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger zum Dritten. Es ist
durchaus denkbar, dass diese Entwicklung, sofern sie anhält,
langfristig auch politische Folgen haben wird, denn warum
sollten Arbeitnehmer, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger ein politisches und wirtschaftliches System
befürworten, das sie gegenüber den Kapitalbesitzern massiv und
auf Dauer benachteiligt? Warum sollen Arbeitnehmer Steuern und
Abgaben auf ihr Einkommen – also auf den Arbeitslohn – zahlen,
Aktionäre und Unternehmer auf ihre Aktien- und
Unternehmens- und Veräußerungsgewinne aber nicht oder kaum?
Vom Grundgesetz ist die
uneingeschränkte Herrschaft und Unantastbarkeit des Kapitals
nicht gedeckt. Dort steht: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch
soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Manager und
Unternehmer dürfen dagegen derzeit ungestraft ihre Mitarbeiter
bedrohen und erpressen sowie die Allgemeinheit z. B. durch
Entlassungen, Frühverrentungen, (legale) Steuertricks und Gewinnverschiebungen schädigen. Die
Erpressungsstrategie – auch gegenüber dem Staat – wurde
schon dargelegt. Insbesondere bei
hohen Gewinnen und bei Ausschüttung statt Neuinvestition
derselben ist ein solches Verhalten nicht akzeptabel. Aber auch
bei Not leidenden Betrieben ist zu fragen: Ist zeitweiliger oder
gar dauernder
Lohnverzicht ein geeignetes Mittel, um das Unternehmen
langfristig wieder wettbewerbsfähig zu machen, oder ist eine
Schließung des Betriebes auf längere Sicht sowieso
unvermeidlich? Was tragen die Manager, die das Unternehmen an
den Rand des Ruins gewirtschaftet haben, zur Sanierung bei?
Was den Staat betrifft, so ist er an seiner
schlechten finanziellen Lage und insbesondere an der miserablen
finanziellen Situation der Kommunen mitschuldig: Völlig
unverständlich ist z. B., dass in Deutschland viele Unternehmen
trotz satter Gewinne kaum oder sogar gar keine Steuern zahlen
müssen – z. B. wenn eine Kapitalanlagegesellschaft ein
Unternehmen weitgehend über Kredite gekauft hat und anschließend
Schulden und Tilgung dem erworbenen Unternehmen aufbürdet – und
dass Veräußerungsgewinne steuerfrei sind. Schwer verständlich ist
auch die Senkung des Spitzensteuersatzes trotz leerer
staatlicher Kassen, die logischerweise hauptsächlich die
Spitzenverdiener begünstigt. In Arbeitsplätze in Deutschland
investiert wurde das so gewonnene Geld von den derart
Begünstigten offensichtlich nicht oder kaum.
Gegenmaßnahmen
Angesichts der skizzierten negativen Folgen ist es notwendig,
gegenzusteuern und die Macht von Fondsverwaltern, Spekulanten
und Kurzzeitanlegern mit maximalen Renditeerwartungen
zurückzudrängen. Zugleich müssen die Anreize für Manager wieder
so gesetzt werden, dass sich für sie langfristiges strategisches
Handeln mehr lohnt als kurzfristige Gewinnmaximierung auf der
Basis von Ressourcenhebung und Mitarbeiterausbeutung. Ferner
muss die Spaltung der Gesellschaft in reiche Kapitalbesitzer,
Arbeitnehmer ohne nennenswerte Rücklagen und mittellose
Geringverdiener, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger möglichst
verringert werden.
Die Arbeitslosigkeit ließe sich, wie
bereits erörtert,
durch Qualifizierung der Arbeitslosen und Aufteilung von
Arbeitsplätzen weitgehend beseitigen. Alleiniges Hoffen und Warten auf ein
ausreichendes Wirtschaftswachstum wird die Arbeitslosigkeit
dagegen nicht verringern. Auch Niedriglohnjobs bzw. deren
Subventionierung durch Kombilöhne sind wenig
sinnvoll, denn mit Einfachstjobs und Billigprodukten kann Deutschland seine Stellung
auf dem Weltmarkt nicht behaupten. Darüber hinaus gebieten
Anstand und volkswirtschaftliche Vernunft, dass ein Job
mindestens so gut bezahlt sein muss, dass eine Einzelperson
davon in Würde leben kann. Ferner sollten Löhne der Schwere und
Qualifiziertheit der Arbeit Rechnung tragen. Mindestlöhne oder
eine bedingungslose finanzielle Grundsicherung aller Bürger
könnten ein Absinken der Löhne unter ein menschenwürdiges Niveau
verhindern.
Qualifizierung und
Arbeitszeitreduzierung sind auf Dauer unumgänglich: Im Produktionsbereich werden
nahezu sämtliche Jobs für Ungelernte nach und nach durch
Automatisierung wegfallen. Aber auch im Dienstleistungsbereich
werden viele Jobs – z. B. im Verkauf, am Schalter oder an der Kasse
– wegrationalisiert oder
– z. B. bei der Kundenberatung – einfach gestrichen. Selbst
dort, wo persönliche Hilfe unlässlich ist, z. B. bei der Alten-
und Krankenpflege, wird seit Jahren die Arbeit verdichtet, immer
weniger qualifiziertes, fest angestelltes Personal und viel zu wenig Zeit pro
Patient / Pflegefall veranschlagt und das verbleibende Personal
rücksichtslos ausgebeutet. Das ist freilich nicht nur auf das
Streben der Unternehmen nach Gewinnmaximierung zurückzuführen,
sondern auch auf den Geiz vieler Kunden, die nur auf den Preis
achten und Qualität, Service und Kundennähe nicht honorieren,
sowie – was z. B. die oft unzureichende Pflege alter und kranker
Menschen in Alten- und Pflegeheimen oder die Reduzierung des
"Taschengeldes" für Heimbewohner betrifft – auf den Egoismus
und die Gefühlskälte des Homo oeconomicus. Geiz und Habgier sind
eben nicht "geil", sondern Gift für die Gesellschaft.
Mit dem Rückgang der
Arbeitslosigkeit würden – da den Arbeitgebern damit das
wichtigste Droh- und Druckmittel genommen wäre – auch die Löhne
wieder steigen und die Mittel wieder vorhanden sein, um den
verbleibenden Arbeitslosen und den Sozialhilfeempfängern ein
menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Flankierend sollte die
Teilhabe der Mitarbeiter an dem Unternehmen, bei dem sie
arbeiten, gefördert werden. Das würde nicht nur den Mitarbeitern
ein Zusatzeinkommen, sondern in der Regel den Unternehmern
zugleich zusätzlich motivierte Mitarbeiter bescheren. Die
Beteiligungen dürften allerdings nicht dazu
führen, dass die Arbeitnehmer bei einem Unternehmenskonkurs
nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern auch noch ihr gesamtes ins
Unternehmen investierte Vermögen verlieren. Entsprechende
Absicherungen wären notwendig.
Eine ausreichende Teilhabe der
Mitarbeiter am Unternehmen, eventuell ergänzt um ein
Vorkaufsrecht der Mitarbeiter und/oder des Staates bei geplanten Unternehmens- bzw. Anteilsverkäufen
oder ein entsprechendes Vetorecht,
wäre auch ein Schutz gegen den Verkauf und die anschließende
Ausbeutung,
Zerschlagung oder Schließung von zuvor häufig kerngesunden Unternehmen durch Kapitalanlagegesellschaften oder
finanziell potente Konkurrenten. Allerdings muss auch ein von
den Arbeitnehmern mitbestimmtes Unternehmen sich am Markt
behaupten und deshalb marktgerechte Waren zu marktgerechten
Preisen produzieren.
Die Manager könnte man zu
langfristigem strategischem Handeln bewegen, wenn man ihr
Einkommen nicht von kurzfristigen Erfolgen wie dem aktuell
gestiegenen Aktienkurs als vielmehr von der mittel- und
langfristigen Unternehmensentwicklung abhängig machte. So könnte
z. B. eine Betriebsrente, die sich nach den durchschnittlichen
Gewinnen der letzten fünfzehn oder zwanzig Jahre richtet, ein
wesentlicher Bestandteil aller Managerverträge sein. Jeder
Manager würde sich dann davor hüten, das Unternehmen
auszuschlachten und Mitarbeiter zu entlassen, nur um den
Aktienkurs in die Höhe zu treiben. Auf jeden Fall besteht
Handlungsbedarf seitens des Gesetzgebers, da viele
Aktiengesellschaften für Manager und Aufsichtsräte offenbar
inzwischen zu Selbstbedienungsläden geworden sind. Die Kontrolle
durch die Aktionäre funktioniert gerade bei den großen
Publikumsgesellschaften, bei denen die Aktien breit gestreut
sind, augenscheinlich nur ungenügend und die unternehmerische
Mitbestimmung durch die Arbeitnehmer ist anscheinend zu
eingeschränkt, um wirkungsvoll sein zu können.
Um die Macht der Spekulanten zu
brechen, müsste der Aktienkurs am besten an objektive, mittel- bis
langfristige Erfolgs- bzw. Misserfolgskriterien gebunden werden und dürfte sich nicht
allein nach Angebot und Nachfrage richten. Dass völlig
überbewertete, keinen Gewinn erwirtschaftende Newcomer solide
wirtschaftende Großunternehmen schlucken,
wie es in der Hochphase der New Economy vorgekommen ist, wäre
dann z. B. nicht mehr möglich. Die Furcht der Manager vor
solchen Übernahmen ist begründet und einigermaßen verständlich,
auch wenn sie selbst bei einer feindlichen Übernahme in der
Regel keine finanzielle Not leiden müssen, wie z. B. der Fall
Mannesmann / Esser gezeigt hat.
Aber auch ohne die Orientierung an
objektiven Erfolgs- oder Misserfolgskriterien ließe sich die
Macht der Spekulanten einschränken. Man bräuchte z. B.
bloß eine längere Dauer des Aktienbesitzes bei der Besteuerung
von Aktiengewinnen anlässlich von Aktienverkäufen steuermindernd
bzw. eine kürzere Besitzdauer sehr viel stärker als bisher steuersteigernd zu
berücksichtigen. Das setzt natürlich voraus, dass
Veräußerungsgewinne nicht – wie derzeit – bereits nach wenigen
Jahren gänzlich steuerfrei sind. Zusätzlich könnte man Aktienbesitzern mit
zunehmender Dauer des Aktienbesitzes entsprechend mehr Stimmen
bei den Aktionärsversammlungen einräumen. Denkbar wäre es auch,
den Aktienbesitz von natürlichen Personen und von Fonds- bzw.
Kapitalanlagegesellschaften steuerlich und aktienrechtlich
unterschiedlich zu behandeln.
Grundsätzliches
Unabhängig von Nützlichkeitserwägungen stellt sich grundsätzlich
die Frage, welches Maß an finanzieller Ungleichheit und damit
immer zugleich auch Chancenungleichheit die Menschen hinnehmen
müssen und hinzunehmen bereit sind. Dass jemand mit einer guten
Produkt- oder Produktions- oder Verkaufsidee und der Fähigkeit,
diese dann auch zu verwirklichen, dafür als Unternehmer
finanzielle Vorteile in Form von Gewinnen erlangt, ist
sicherlich in Ordnung. Allerdings wird man wohl fragen dürfen,
welches Verhältnis zwischen Gewinn und Einsatz angesichts des
geringen Einkommens vieler anderer, mindestens ebenso hart
arbeitender Menschen ethisch gerechtfertigt ist. Bei Managern,
die nicht mit ihrem eigenen Vermögen für ihre unternehmerischen
Entscheidungen einstehen, stellt sich diese Frage natürlich umso
dringlicher.
Sehr problematisch ist es auch, wenn
Aktionäre bzw. Aktienspekulanten allein dafür, dass sie auf die
"richtigen" Unternehmen oder Aktienfonds gesetzt haben, mit
Profiten belohnt werden, die man, handelte es sich um Zinsen,
als Wucherzinsen bezeichnen würde, und wenn diese Profite nicht
auf Verkaufserfolgen der betreffenden Unternehmen, sondern auf
Lohnkürzungen, Arbeitsverdichtung und Entlassungen
basieren. Soll jemand, der sich an Glücksspielen wie
dem Aktienmarkt – und nichts anderes als ein Glücksspiel ist das
Engagement am Aktienmarkt zumindest für die meisten
Privatanleger – beteiligt und dabei andere Menschen schädigt,
seinen Gewinn steuerfrei oder kaum versteuert behalten dürfen,
wie es derzeit in der Regel der Fall ist?
Problematisch ist gewiss auch das
Erbrecht: Dass reiche Eltern ihren Kindern ihr Vermögen
möglichst ungeschmälert hinterlassen möchten, ist verständlich,
aber dass der Staat diesem Verlangen durch hohe Freibeträge bei
der Erbschaftssteuer, niedrige Erbschaftssteuersätze bei
Vererbung an die eigenen Nachkommen und die faktische Freistellung von der
Erbschaftssteuer bei der Vererbung von mittelständischen
Betrieben sehr weitgehend entspricht, werden Menschen, die keine
reichen Eltern haben, kaum als gerecht empfinden, selbst wenn
die Freistellung von der Erbschaftssteuer bei der Vererbung
mittelständischer Betriebe tatsächlich betriebs- und volkswirtschaftlich
sinnvoll sein sollte
–
was bislang eine bloße Behauptung ist und erst noch zu beweisen
wäre.
Gesellschaftspolitisch sind die
geringen Erbschaftssteuern bzw. der Verzicht auf
Erbschaftssteuern auf keinen Fall sinnvoll, denn dadurch fördert
der Staat die Ausbildung bzw. Verfestigung einer
Geldaristokratie, innerhalb derer das Vermögen ungeschmälert
oder sogar gemehrt von Generation zu Generation vererbt wird,
während jene, die wenig oder nichts besitzen, von Generation zu
Generation kaum Aufstiegschancen haben. Warum z. B. kann ein
entsprechend großes mittelständisches Unternehmen nicht beim
Tode des Gründers (oder schon vorher) in einen Genossenschaftsbetrieb
oder eine Aktiengesellschaft umgewandelt
werden, wobei die Erben des Gründers Anteile / Aktien in
jenem Maße erhalten, der ihrem Anteil am Unternehmen nach
Abzug der Erbschaftssteuer entspricht, und der Staat die ihm
zustehenden Anteile an die Mitarbeiter des Unternehmens
weiterverkaufen kann?
Generell gilt es, dem Grundgesetz wieder Geltung zu verschaffen
und die Sozialbindung von Eigentum, insbesondere von solchem,
das nicht einer angemessenen privaten Lebensführung dient,
sondern für andere Menschen von existenzieller Bedeutung ist,
also von Eigentum an Produktionsmitteln, z. B.
Gesellschafteranteile oder Aktien, und von Eigentum an
vermieteten Wohnungen, nicht nur in Sonntagsreden
zu beschwören, sondern in der Praxis durchzusetzen.
Entstehungsjahr: 2006
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